Wut ist ein schlechter Berater

 „1933 Gründe gegen Rechtsextremismus“. So steht es auf einem der vielen Plakate auf der Demonstration rund um die Binnenalster in Hamburg. Die Innenstadt ist am letzten Freitag voll, als das Bündnis aus Kirchen, Arbeitgebervertretern, Gewerkschaften und bürgerlicher Mitte zur Demonstration gegen Rechtsextremismus und rechte Parteien aufgerufen hat.

Auch Oststeinbekerinnen und Oststeinbeker haben sich auf den Weg nach Hamburg gemacht. Die anhaltende drückende Stimmung, dass immer mehr sich in Gesprächen verschiebt, der Tonfall im Internet, in den Familien, die frustrierenden Bilder einer konfliktreicheren Welt und am Ende Hilflosigkeit, ins „rechte“ Ohr geflüsterte Heilsversprechen.

Die Holocaustüberlebende Anita Lasker Wallfisch sagt dazu im NDR: „Es ist immer sehr leicht, nach rechts zu gehen. Um nach links zu gehen oder in der Mitte zu bleiben, muss man sein Gehirn anstrengen – und das tun wenige Leute. Es ist ein Skandal, dass da wieder so eine Partei aufgeblüht ist.“

Manche Personen mag dieses Zitat schon gleich wieder auf die Palme bringen. „Es läuft doch so viel falsch im Land, dieser Staatsfunk, die Ausländer, die Umerzieher, die Ideologen, usw., usw., usw.“

Es hat sich etwas geändert. Aber was hat sich geändert?

Wir sprechen in der Gemeinde. Da sieht einer „Deutschland in Brand“ und macht sich Sorgen um die Zukunft seiner Kinder. Ein anderer glaubt nicht daran, dass es ein Treffen von Rechtsradikalen gab, auf dem über „Remigration“ diskutiert wurde. Das sind nur „die Medien“. Eine andere Nachbarin erzählt mir eine Theorie. Ich höre zu und versuche freundlich zu erklären, wieder einmal. Später nutze ich das Internet und stelle einmal mehr fest: Das war eine Verschwörungstheorie.

„Wer Begriffe prägt, prägt die Sprache. Wer die Sprache prägt, prägt das Denken. Wer das Denken prägt, prägt den politischen Diskurs. Und wer den politischen Diskurs prägt, der beherrscht die Politik […]“

Das Zitat stammt von Björn Höcke, schon 2018.

Seitdem kostet es für viele von uns viel Arbeit, immer wieder zu recherchieren, etwas nicht im „rechten Licht“ stehen zu lassen, weil unsere Sprache nachweisbar nicht durch „Genderwahn“, sondern durch das Schüren von Angst, Wut und Hass verändert wird.

Das Zitat von Anita Lasker Wallwisch ist daher unbedingt zu ergänzen. Man muss nicht nur sein Gehirn anstrengen, wenn man nicht schleichend nach rechts geschoben werden möchte, man muss auch seine Gefühle offenhalten und sich nicht von den Springers, Reichelts, Tichys und anderen Unruhegeistern in Presse oder Internet immer wieder einreden lassen, dass Deutschland brennen würde und die Demos von „Hamas-Fanatikern“ (Tichy) und „Menschen, die die Auslöschung der Juden fordern“ (Reichelt) geführt würden.

Das Bild wird bei jeder Gelegenheit bis ins Widersprüchliche gezerrt, hängen bleiben am Ende trotzdem Zweifel, Überforderung, Hilflosigkeit, Wut, Angst, Hass und Schweigen. Damit sind Diskussionen nicht möglich und das ist das Problem mit den lautstarken Methoden von Rechtsaußen. Populisten und Radikale prägen in einer komplexen Welt nicht nur zu einfache Antworten, sie prägen auch immer mehr negative Gefühle. Nicht nur die Sprache wird vorsätzlich geprägt, sondern auch die Sprachlosigkeit.

Auch wir Politikerinnen und Politiker tun gut daran zu überlegen, wem wir zunicken und wem wir widersprechen.

Es ist aus unserer Sicht kein gutes Signal, wenn sich die politischen Themen schleichend immer mehr zu Blockade, Spaltung, Wut und Hass verschieben und auf der anderen Seite dies als „Normal“ oder „Alternative“ anerkannt wird.

Es ist ehrlicherweise aber wirklich auch viel zu tun.

Der Filmemacher Michael Moore hatte dazu schon vor 20 Jahren eine gute Idee: Macht euch auf und macht mit. Schnappt euch drei Freunde und werdet Mitglied in einer lokalen Partei. Welche ist vollkommen egal, nur demokratisch muss sie sein. Es fühlt sich besser an, wenn man dem Sturm an Destruktion, den bestimmte Kreise für ihre eigenen Ziele und Gewinne auf uns ablassen, etwas entgegensetzen kann, z.B. in dem man sich selbst einbringt, wenn man es bewusst anders macht, wenn man widerspricht.

 Es ist Zeit sich unterzuhaken, statt die Augen zu verschließen, Zeit für Abrüstung statt Aufrüstung, Zeit für Ideen und Engagement statt Blockade und Temperament.

Mit besten Grüßen, ein Freund der Demokratie